Die Catilinarische Verschwörung
De Catilinae coniuratione
ΣΑΛΛΟΥΣΤΙΟΥ ΚΑΤΙΛΙΝΑΣ
26-36
Catilinas Wahlniederlage und ihre Folgen |
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Hauptteil: Das Ringen der Verschwörer mit den Organen
des Staates (27-55):
- Das Nachhinken der Defensive (bes. 27-30): Der Staat ist
zunächst in der Defensive und wird erst Schritt für
Schritt zu Maßnahmen gezwungen.
- Entsendung von Befehlshabern in verschiedene Gegenden
Italiens;
- Versammlung im Hause Laecas und Attentatsplan gegen Cicero, der wieder am Verrat
Curios scheitert.
- Erfolg des Manlius bei Truppenbewegungen in Etrurien.
- Daraufhin veranlasst Cicero das SCU. Vertreter der
Regierung werden in die bedrohten Gebiete geschickt.
- Maßnahmen zur Aufdeckung der Verschwörung
und zur Sicherung der Stadt.
- Das Stimmungsbild der völlig bestürzten
Stadt kennzeichnet die ganze Gefahr. Sallust legt die
Versammlung im Hause Laecas bewusst vor die Senatssitzung, die das SCU ausspricht,
um einen dramatischen Höhepunkt zu erreichen.
- In der Senatssitzung am 8.Nov. nimmt Cicero die Herausforderung
Catilinas an. Seine Rede (Cic.Catil.1)
wird ihm von Sallust als Verdienst angerechnet.
- Catilina gibt die geheime Aktion für seine Person
verloren und verlässt fluchtartig den Senat. Nach
letzten Anweisungen an seine Vertrauten eilt er in das
Lager des Manlius.
- Mit Catilinas Flucht war nicht viel gewonnen, denn
die Tarnung des Anschlags geht in anderer Form weiter
(33-35)
- Manlius stellt sein Unternehmen in einem Brief
als verzweifelten Selbstschutz einer unterdrückten
Bevölkerung dar und bittet um Hilfe gegen eine
ungerechte Behörde.
- Catilina versichert in vielen Briefen, er gehe
freiwillig in Verbannung, um einen Aufstand zu vermeiden.
Er habe die Sache der Armen ergriffen und das gewaltsame
Vorgehen gegen ihn sei ungerechtfertigt.
- Diese Tarnungsmanöver werden durch ihre innere
Widersprüchlichkeit und durch die Tatsache
entlarvt, dass Catilina mit Liktoren und allen Abzeichen
eines Magistrats im Lager des Manlius eintrifft.
- Erst jetzt erfolgt der Gegenzug der Regierung. Der
Senat erklärt Catilina und Manlius zu Staatsfeinden
und beauftragt die Konsuln mit der militärischen
Niederwerfung des Aufstandes.
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Zusammenfassung
zu J.Vogt (39-71) |
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XXVI (1) Obgleich Catilina diese Maßnahmen getroffen hatte, bewarb er sich dennoch für
das folgende Jahr um das Konsulat. Er hoffte, wenn er gewählt
wäre, könne er mit Antonius leicht machen, was er wolle. Doch war er inzwischen
nicht untätig, sondern trachtete Cicero unausgesetzt nach dem Leben. (2) Jenem fehlte es aber, um sich zu sichern,
weder an Verschlagenheit noch an Schläue. (3) Denn gleich vom Antritt
seines Konsulats an hatte er durch Fulvias Vermittlung Quintus Curius, von dem ich oben erzählt habe, durch große
Versprechungen dazu gebracht, ihm Catilinas Pläne zu verraten. (4) Dazu hatte er seinen Mitkonsul Antonius durch einen Tausch der Provinzen dazu gebracht,
seine Revolutionsgedanken aufzugeben. Um sich herum hielt er
insgeheim Wachen von Freunden und Klienten. (5) Als nun der Wahltag
gekommen war und Catilina weder die Kandidatur noch der Mordanschlag glückte, den er
auf dem Marsfeld gegen den Konsul unternommen hatte, beschloss er
loszuschlagen und zum äußersten zu greifen, da ja seine
heimlichen Versuche gefährlich und schmählich ausgegangen
waren. |
(26,1)
His rebus conparatis Catilina nihilo minus in proxumum annum consulatum
petebat, sperans, si designatus foret, facile se ex voluntate Antonio
usurum. neque interea quietus erat, sed omnibus modis insidias parabat
Ciceroni. (26,2)
neque illi tamen ad cavendum dolus aut astutiae deerant. (26,3)
namque a principio consulatus sui multa pollicendo per Fulviam effecerat,
ut Q. Curius, de quo paulo ante memoravi, consilia Catilinae sibi
proderet; (26,4)
ad hoc conlegam suom Antonium pactione provinciae perpulerat, ne
contra rem publicam sentiret; circum se praesidia amicorum atque
clientium occulte habebat. (26,5)
postquam dies comitiorum venit et Catilinae neque petitio neque
insidiae, quas consulibus in campo fecerat, prospere cessere, constituit
bellum facere et extrema omnia experiri, quoniam, quae occulte temptaverat,
aspera foedaque evenerant. |
XXVII (1) Daher entsandte
er Gaius Manlius nach Faesulae und
in die dortige Gegend Etruriens, einen gewissen Septimius aus Camerinum in das Picenische, den Gaius Iulius nach Apulien und andere
anderswohin, je nachdem er irgendwo nützliche Dienste von jedem
erwartete. (2) Indessen nahm er in Rom vieles auf einmal in Angriff,
legte den Konsuln Mordschlingen, bereitete Brandschatzungen vor,
besetzte geeignete Plätze mit Bewaffneten, führte selbst
ein Schwert und befahl anderen das gleiche zu tun; er ermunterte
sie, stets wachsam und bereit zu sein, Tag und Nacht war er geschäftig
und schlaflos, ohne durch Nachtwachen und Anstrengung zu ermüden.
(3) Zuletzt ruft er, als ihm trotz seiner vielen Unternehmungen nichts
gelingt, in tiefer Nacht die Häupter der Verschwörung
noch einmal durch Vermittlung des Marcus Porcius Laeca zusammen (4) und legt ihnen, nachdem er sich
über Laschheit beklagt hat, dar, er habe Manlius vorausgeschickt - nämlich zu den Scharen,
die er dazu angeworben hatte, die Waffen zu ergreifen - und andere
an andere geeignete Plätze, um den Krieg zu beginnen; er wünsche
zum Heer abzugehen, wenn er zuvor Cicero erledigt habe: er sei für seine Pläne das Haupthindernis. |
(27,1)
Igitur C. Manlium Faesulas atque in eam partem Etruriae, Septimium
quendam Camertem in agrum Picenum, C. Iulium in Apuliam dimisit,
praeterea alium alio, quem ubique opportunum sibi fore credebat.
(27,2) interea Romae
multa simul moliri: consulibus insidias tendere, parare incendia,
opportuna loca armatis hominibus obsidere; ipse cum telo esse, item
alios iubere, hortari, uti semper intenti paratique essent;
dies noctisque festinare, vigilare, neque insomniis neque labore
fatigari. (27,3)
postremo, ubi multa agitanti nihil procedit, rursus intempesta nocte
coniurationis principes convocat per M. Porcium Laecam, (27,4)
ibique multa de ignavia eorum questus docet se Manlium praemisisse
ad eam multitudinem, quam ad capiunda arma paraverat, item alios
in alia loca opportuna, qui initium belli facerent, seque ad exercitum
proficisci cupere, si prius Ciceronem oppressisset: eum suis consiliis
multum officere. |
XXVIII (1) Während
die anderen entsetzt und bedenklich waren, bot der Ritter Gaius
Cornelius seine Dienste an und mit ihm der Senator Lucius Vargunteius. Sie beschlossen, noch in der selben Nacht
bald danach mit Bewaffneten wie zum Morgenbesuch bei Cicero einzutreten und ihn unversehens im eigenen Haus zu überraschen
und niederzustoßen. (2) Als Curius die Größe der Gefahr erkennt, in der Cicero schwebt, setzt er Cicero rasch durch Fulvia von der Vorbereitung des bevorstehenden Überfalls in Kenntnis.
(3) So wurden sie an der Tür zurückgewiesen und hatten vergeblich
das so große Verbrechen auf sich genommen. (4) Inzwischen wiegelte Manlius in Etrurien das gemeine
Volk auf, das unter Sullas Gewaltherrschaft Grund und Boden und alle Habe verloren hatte und
deswegen aus Armut und Verbitterung über das erlittene Unrecht
zu einer Revolution geneigt war; außerdem Straßenräuber
jeder Art, von denen es in jener Gegend eine große Menge gab,
auch den und jenen von den durch Sulla eingesetzten Grundbesitzern,
deren Lust und Verschwendung von ihrem reichen Raub nichts übrig
gelassen hatte. |
(28,1)
igitur perterritis ac dubitantibus ceteris C. Cornelius eques Romanus
operam suam pollicitus et cum eo L. Vargunteius senator constituere
ea nocte paulo post cum armatis hominibus sicuti salutatum introire
ad Ciceronem ac de inproviso domi suae inparatum confodere. (28,2)
Curius ubi intellegit, quantum periculum consuli inpendeat, propere
per Fulviam Ciceroni dolum, qui parabatur, enuntiat. (28,3)
ita illi ianua prohibiti tantum facinus frustra susceperant. (28,4)
Interea Manlius in Etruria plebem sollicitare, egestate simul ac
dolore iniuriae novarum rerum cupidam, quod Sullae dominatione agros
bonaque omnia amiserat, praeterea latrones quoiusque generis, quorum
in ea regione magna copia erat, nonnullos ex Sullanis coloniis,
quibus lubido atque luxuria ex magnis rapinis nihil relicui fecerant. |
XXIX (1) Als Cicero dies gemeldet wurde, bringt er die Sache in ernster Erwägung
der doppelten Gefahr vor den Senat, der schon zuvor durch die umlaufenden
Gerüchte in Sorge war: einmal konnte er die Stadt nicht länger
durch eigenverantwortliche Maßnahmen vor den Zerstörungsplänen
schützen, sodann gab es keine Gewissheit, wie stark das Heer
des Manlius war und welche Absichten es hegte. (2) So beschloss der Senat, wie gewöhnlich
in dringender Gefahr, die Konsuln sollten alle Mittel aufbieten,
die Integrität des Staates zu wahren. (3) Dadurch verleiht der
Senat nach römischem Staatsgesetz der Obrigkeit die umfassendsten
Befugnisse, nämlich ein Heer auszuheben, Krieg zu führen,
durch alle Mittel die Bundesgenossen und Bürger zum Gehorsam
zu zwingen und in der Stadt unumschränkte Macht und Gericht
ohne Einspruch zu üben. Andernfalls hat der Konsul ohne Ermächtigung
durch das Volk zu nichts davon ein Recht. |
(29,1)
Ea cum Ciceroni nuntiarentur, ancipiti malo permotus, quod neque urbem ab insidiis privato consilio longius
tueri poterat neque, exercitus Manli quantus aut quo consilio foret,
satis conpertum habebat, rem ad senatum refert, iam antea volgi
rumoribus exagitatam. (29,2)
itaque, quod plerumque in atroci negotio solet, senatus decrevit,
darent operam consules, ne quid res publica detrimenti caperet.
(29,3) ea potestas
per senatum more Romano magistratui maxuma permittitur: exercitum
parare, bellum gerere, coercere omnibus modis socios atque civis,
domi militiaeque imperium atque iudicium summum habere; aliter sine
populi iussu nullius earum rerum consuli ius est. |
XXX (1) Einige Tage darauf
las der Senator Lucius
Saenius in der Senatssitzung ein Schreiben vor, das er angeblich
aus Faesulae erhalten
hatte. Darin stand, Gaius
Manlius habe mit einem großen Heerhaufen am 27. Oktober
die Waffen ergriffen. (2) Zugleich meldeten einige, wie gewöhnlich
bei solchen Ereignissen, Wunder- und Schreckenserscheinungen, andere,
man halte Versammlungen ab und trage Waffen und in Capua und in Apulien arbeite man
auf einen bewaffneten Sklavenaufstand hin. (3) Infolgedessen schickte
man auf Senatsbeschluss Quintus
Marcius Rex nach Faesulae, Quintus
Metellus Creticus nach Apulien und in die umliegenden Gegenden - (4) diese beiden
standen als Feldherrn vor den Toren der Stadt, weil sie durch die
Intrigen einiger Leute, die um Geld alles, Sittliches und Unsittliches,
zu tun gewohnt waren, an der Feier des Triumphes gehindert wurden -,
(5) ferner die Praetoren Quintus Pompeius Rufus nach Capua, Quintus Metellus Celer ins Picenische. Diese
waren befugt, je nach den Umständen und der Größe
der Gefahr ein Heer auszurüsten. (6) Ferner lobte man Belohnungen
aus: für einen Sklaven, der über die Verschwörung,
die gegen den Staat gerichtet war, ein zur Überführung
genügendes Geständnis ablegte die Freiheit und 100000,
für einen Freien Straflosigkeit für das Vergehen und 200000
Sesterze; (7) ebenso beschlossen sie, dass die zu den Fechtspielen bestimmten
Sklavenbanden nach Capua und entsprechend den Mittel einer jeden
in die übrigen Munizipialstädte aufgeteilt und überall
in Rom Nachtwachen aufgestellt werden, und zwar unter dem Befehl
der niederen Magistrate. |
(30,1)
Post paucos dies L. Saenius senator in senatu litteras recitavit,
quas Faesulis adlatas sibi dicebat, in quibus scriptum erat C. Manlium
arma cepisse cum magna multitudine ante diem VI Kalendas Novembris.
(30,2) simul, id
quod in tali re solet, alii portenta atque prodigia nuntiabant,
alii conventus fieri, arma portari, Capuae atque in Apulia servile bellum moveri. (30,3) igitur senati decreto Q. Marcius
Rex Faesulas, Q. Metellus Creticus in Apuliam circumque ea loca
missi (30,4) ‑ hi
utrique ad urbem imperatores erant, inpediti, ne triumpharent, calumnia paucorum, quibus omnia honesta atque inhonesta vendere mos erat
‑ , (30,5) sed praetores
Q. Pompeius Rufus Capuam, Q. Metellus Celer in agrum Picenum, iisque
permissum, uti pro tempore atque periculo exercitum conpararent.
(30,6) ad hoc, si
quis indicavisset de coniuratione, quae contra rem publicam facta
erat, praemium servo libertatem et sestertia centum, libero inpunitatem
eius rei et sestertia ducenta; (30,7)
itemque decrevere, uti gladiatoriae familiae Capuam et in cetera
municipia distribuerentur pro quoiusque opibus, Romae per totam
urbem vigiliae haberentur iisque minores magistratus praeessent. |
XXXI (1) Durch diese Maßnahmen
war die Bürgerschaft in Unruhe versetzt und das Aussehen der
Stadt verwandelt. Statt der größten Heiterkeit und Ausgelassenheit,
die die lang anhaltende Ruhe erzeugt hatte, trat mit einem Mal allgemeine
Niedergeschlagenheit. (2) Man eilte unruhig hin und her, traute keinem
Ort und keinem Menschen, man führte keinen Krieg und hatte
doch keinen Frieden, jeder bemaß die Gefahr nach seiner Besorgnis.
(3) Dabei gebärdeten sich die Weiber, die bei der Machtgröße
des Staates der Kriegsschrecken ganz ungewohnt befallen hatte, angstvoll,
streckten flehend die Hände zum Himmel, bejammerten ihre kleinen
Kinder, fragten immerfort nach allem, entsetzten sich bei allem,
ließen Stolz und Lustbarkeiten sein, verzweifelten an
ihrem und des Vaterlandes Heil. |
(31,1)
Quis rebus permota civitas atque inmutata urbis facies erat. ex
summa laetitia atque lascivia, quae diuturna quies pepererat, repente
omnis tristitia invasit: (31,2)
festinare, trepidare, neque loco neque homini quoiquam satis credere,
neque bellum gerere neque pacem habere, suo quisque metu pericula
metiri. (31,3) ad
hoc mulieres, quibus rei publicae magnitudine belli timor insolitus
incesserat, adflictare sese, manus supplices ad caelum tendere,
miserari parvos liberos, rogitare omnia, omnia pavere, superbia
atque deliciis omissis, sibi patriaeque diffidere. |
(4) Aber Catilina verfolgte in seiner Grausamkeit immerfort seine Pläne, obgleich
eine bewaffnete Macht aufgestellt wurde und er selbst nach dem Plautischen
Gesetz von Lucius
Paulus belangt worden war. (5) Als habe man ihn zum Streit herausgefordert,
erschien er schließlich sogar im Senat,
um zu leugnen oder sich reinzuwaschen. (6) Da hielt der Konsul Marcus
Tullius vielleicht aus Besorgnis über seine Anwesenheit,
vielleicht aus Zorn eine kraftvolle und staatsdienliche Rede, die
er später schriftlich herausgab. (7) Aber als er sich wieder gesetzt
hatte, begann Catilina - er war ja entschlossen, alles zu leugnen - mit gesenktem Blick
und in flehentlichem Ton zu bitten, die Väter sollten ihn nicht
unbegründet verdächtigen; er stamme aus einer solchen
Familie und habe von Jugend an solche Lebensgrundsätze gepflegt,
dass er die schönste Zukunft erwarten dürfe. Sie sollten
nicht glauben, dass er, ein Patrizier, der selbst wie seine Vorfahren
dem römischen Volk sehr viele Dienste geleistet habe, einen
Umsturz des Staates vonnöten habe, während ein Marcus
Tullius, ein vom Dorf zugezogener Bürger der Stadt Rom,
ihn erhalten werde. (8) Als er dem noch andere Lästerungen hinzufügte,
erhoben alle einen Lärm und nannten ihn Staatsfeind und Mörder.
(9) Da rief er wütend: "Weil ich denn von Feinden umgarnt
zum Äußersten getrieben werde, will ich den Brand meines
Hauses durch Einreißen ersticken. |
(31,4)
At Catilinae crudelis animus eadem illa movebat, tametsi praesidia
parabantur et ipse lege Plautia interrogatus erat ab L. Paulo. (31,5)
postremo dissimulandi causa aut sui expurgandi, sicut iurgio lacessitus
foret, in senatum venit. (31,6)
tum M. Tullius consul, sive praesentiam eius timens sive ira conmotus,
orationem habuit luculentam atque utilem rei publicae, quam postea
scriptam edidit. (31,7)
sed ubi ille adsedit, Catilina, ut erat paratus ad dissimulanda
omnia, demisso voltu, voce supplici postulare a patribus coepit,
ne quid de se temere crederent: ea familia ortum, ita se ab adulescentia
vitam instituisse, ut omnia bona in spe haberet; ne existumarent
sibi, patricio homini, quoius ipsius atque maiorum pluruma beneficia
in plebem Romanam essent, perdita re publica opus esse, quom eam
servaret M. Tullius, inquilinus civis urbis Romae. (31,8)
ad hoc male dicta alia quom adderet, obstrepere omnes, hostem atque
parricidam vocare. (31,9)
tum ille furibundus 'quoniam quidem circumventus' inquit 'ab inimicis
praeceps agor, incendium meum ruina extinguam.' |
XXXII (1) Damit stürzte
er aus der Kurie nach Hause. Dort stellte er vielfältige Überlegungen
an: Weil die Ermordung des Konsuls nicht gelang und weil er die
Stadt durch Wachen gegen Brandschatzung gesichert sah, kam er zu
der Überzeugung, es sei das beste, sein Heer zu verstärken
und, bevor reguläre Truppen ausgehoben würden, sich vieler
Vorteile für den Krieg im voraus zu versichern. Mitten in der
Nacht reiste er mit wenigen Begleitern ab, um sich in das Lager
des Manlius zu begeben. (2) Aber Cethegus, Lentulus und den anderen, deren stets bereite Verwegenheit er
kannte, gibt er den Auftrag, womit sie nur könnten ihren Anhang
zu kräftigen, den Untergang des Konsuls möglichst rasch
herbeizuführen und sich zu Mord, Brand und anderen Schandtaten
bereit zu halten: er werde nächster Tage mit einem starken
Heer gegen die Stadt anrücken. (3) Während dies zu Rom vor
sich ging, schickte Gaius
Manlius aus der Zahl seiner Leute Gesandte mit Mitteilungen
folgender Art zu Quintus
Marcius: |
(32,1)
deinde se ex curia domum proripuit. ibi multa ipse secum volvens,
quod neque insidiae consuli procedebant et ab incendio intellegebat
urbem vigiliis munitam, optumum factu credens exercitum augere ac,
prius quam legiones scriberentur, multa antecapere, quae bello usui
forent, nocte intempesta cum paucis in Manliana castra profectus
est. (32,2) sed Cethego
atque Lentulo ceterisque, quorum cognoverat promptam audaciam, mandat, quibus rebus possent, opes factionis confirment,
insidias consuli maturent, caedem incendia aliaque belli facinora
parent: sese propediem cum magno exercitu ad urbem adcessurum. (32,3)
Dum haec Romae geruntur, C. Manlius ex suo numero legatos ad Marcium
Regem mittit cum mandatis huiusce modi: |
XXXIII (1) "Götter
und Menschen rufen wir zu Zeugen an, Feldherr, dass wir die Waffen
nicht gegen das Vaterland erhoben haben, auch nicht um andere in
Gefahr zu bringen, sondern um uns persönlich gegen Unrecht
zu schützen, die wir arm und bloß durch die grausame
Unerbittlichkeit von Wucherern zum größten Teil die Heimat,
alle aber unsere Ehre und unser Vermögen verloren haben. Keinem
von uns war es gestattet, der Rechtsüberlieferung gemäß
die Wohltat des Gesetzes in Anspruch zu nehmen und durch Abtretung
unseres Vermögens für unsere Person die Freiheit zu erhalten.
Denn so groß war die Grausamkeit der Wucherer und des Praetors.
(2) Oft halfen euere Vorfahren aus Mitleid mit dem armen Volk durch
ihre Beschlüsse seiner Not ab; und ganz vor kurzem haben wir
erlebt, dass wegen der Höhe der Verschuldung mit Einverständnis
aller Gutgesinnten die Kupfermünze im Zwangskurs dem Silber
gleichgestellt wurde. (3) Oft bewaffnete und erhob sich das Volk auf
eigene Faust entweder aus Lust, den Herrn zu spielen oder durch
die Anmaßung der Obrigkeit gereizt. (4) Aber wir begehren weder
Herrschaft noch Reichtum, weswegen aller Krieg und aller Streit
unter den Menschen entsteht, sondern die Freiheit, die ein anständiger
Mensch nur mit dem Leben hingibt. (5) Dich und den Senat beschwören
wir, Sorgt für die armen Bürger! Gebt ihnen den gesetzlichen
Schutz zurück, den ihnen die ungerechte Härte des Praetors
entzog! Bringt uns nicht in die Zwangslage einen Weg zu suchen,
wie wir uns unter Verlust unseres Lebens am wirkungsvollsten rächen!" |
(33,1)
"Deos hominesque testamur, imperator, nos arma neque contra
patriam cepisse neque quo periculum aliis faceremus, sed uti corpora
nostra ab iniuria tuta forent, qui miseri, egentes violentia atque
crudelitate faeneratorum plerique patriae, sed omnes fama atque
fortunis expertes sumus. neque quoiquam nostrum licuit more maiorum
lege uti neque amisso patrimonio liberum corpus habere: tanta saevitia
faeneratorum atque praetoris fuit. (33,2)
saepe maiores vostrum, miserti plebis Romanae, decretis suis inopiae
eius opitulati sunt, ac novissume memoria nostra propter magnitudinem
aeris alieni volentibus omnibus bonis argentum aere solutum est.
(33,3) saepe ipsa
plebs, aut dominandi studio permota aut superbia magistratuum, armata
a patribus secessit. (33,4)
at nos non imperium neque divitias petimus, quarum rerum causa bella
atque certamina omnia inter mortalis sunt, sed libertatem, quam
nemo bonus nisi cum anima simul amittit. (33,5)
te atque senatum obtestamur, consulatis miseris civibus, legis praesidium,
quod iniquitas praetoris eripuit, restituatis, neve nobis eam neccessitudinem
inponatis, ut quaeramus, quonam modo maxume ulti sanguinem nostrum
pereamus." |
XXXIV (1) Darauf gab Quintus
Marcius den Bescheid: wenn sie den Senat um etwas nachsuchen
wollten, sollten sie zuerst die Waffen niederlegen und sich dann
bittend nach Rom wenden; der Senat und das Volk von Rom hätten
stets so viel Menschenfreundlichkeit und Mitleid geübt, dass
niemand sie je vergeblich um Hilfe gebeten habe. |
(34,1)
Ad haec Q. Marcius respondit, si quid ab senatu petere vellent,
ab armis discedant, Romam supplices proficiscantur: ea mansuetudine
atque misericordia senatum populi Romani semper fuisse, ut nemo
umquam ab eo frustra auxilium petiverit. |
(2) Catilina aber sandte von unterwegs an die meisten Konsularen und außerdem
an alle herausragenden Mitglieder der Aristokratie schriftliche
Erklärungen: er sei von einem Gewebe falscher Beschuldigungen
umgarnt; weil er sich unfähig gefühlt habe, der Meute
seiner Feinden die Stirn zu bieten, weiche er der Notwendigkeit
und gehe nach Massilia in die Verbannung; nicht als fühle er
sich eines so schweren Verbrechens schuldig, sondern damit der Staat
ruhig bleibe und nicht aus seinem Privatstreit eine Empörung
entstehe. (3) Ganz anders lautete das Schreiben, das Quintus
Catulus in der Senatssitzung vorlas, das ihm angeblich im Auftrag Catilinas übergeben
worden war. Davon teile ich hier eine Abschrift mit: |
(34,2)
At Catilina ex itinere plerisque consularibus, praeterea optumo
quoique litteras mittit: se falsis criminibus circumventum, quoniam
factioni inimicorum resistere nequiverit, fortunae cedere, Massiliam
in exilium proficisci, non quo sibi tanti sceleris conscius esset,
sed uti res publica quieta foret neve ex sua contentione seditio
oreretur. (34,3)
ab his longe divorsas litteras Q. Catulus in senatu recitavit, quas
sibi nomine Catilinae redditas dicebat. earum exemplum infra scriptum est. |
XXXV (1) "Lucius
Catilina an Quintus
Catulus. Deine mir durch die Tat bewiesene außerordentliche
Freundschaft ist mir in meinen großen Nöten ein lieber
Trost und ermutigt mich, mich dir zu empfehlen. (2) Aus diesem Grund
will ich für meinen neuen Entschluss auf eine Rechtfertigung
verzichten, halte es aber, weil ich mir keiner Schuld bewusst
bin, für meine Pflicht, dir eine Erklärung vorzulegen,
von deren Wahrheit du dich, so wahr mir Gott helfe, überzeugen
kannst. (3) Von Kränkungen und Schmähungen gehetzt, weil ich
des Erfolgs meiner Anstrengungen und meines Einsatzes beraubt und
von der meinem Rang gebührenden Stellung verdrängt wurde,
nehme ich nach meiner Gewohnheit die allgemeine Sache meiner Mitbürger
auf meine Schultern, nicht etwa weil ich die auf meine Person gestellten
Wechsel aus meinen Besitzungen nicht decken könnte, -
selbst die auf andere Namen lautenden würde ja Orestilla freigebig aus ihrem und ihrer Tochter Vermögen
bezahlen - sondern weil ich unebenbürtige Leute mit der höchsten
Ehre bekleidet und mich auf falschen Verdacht hin zurückgesetzt
sehe. (4) So bin ich den bei meinem Unglück hinreichend ehrenvollen
Aussichten gefolgt, das zu erhalten, was mir von meinem Ansehen
geblieben ist. (5) Ich wollte zwar noch mehr schreiben, doch gerade
wird mir gemeldet, man plane eine Gewalttat gegen mich. So empfehle
ich dir jetzt Orestilla und vertraue sie deinem Schutz an; (6) Schütze sie
vor Unrecht; bei dem Leben deiner Kinder bitte ich dich darum. Lebe
wohl!" |
(35,1)
"L. Catilina Q. Catulo. egregia tua fides, re cognita, grata
mihi magnis in meis periculis, fiduciam commendationi meae tribuit. (35,2)
quam ob rem defensionem in novo consilio non statui parare: satisfactionem
ex nulla conscientia de culpa proponere decrevi, quam me
dius fidius veram licet cognoscas. (35,3)
iniuriis contumeliisque concitatus, quod fructu laboris industriaeque
meae privatus statum dignitatis non obtinebam, publicam miserorum
causam pro mea consuetudine suscepi, non quin aes alienum meis nominibus
ex possessionibus solvere non possem ‑ et alienis nominibus liberalitas
Orestillae suis filiaeque copiis persolveret ‑ , sed quod non dignos
homines honore honestatos videbam meque falsa suspicione alienatum
esse sentiebam. (35,4)
hoc nomine satis honestas pro meo casu spes relicuae dignitatis
conservandae sum secutus. (35,5)
plura quom scribere vellem, nuntiatum est vim mihi parari. nunc
Orestillam commendo tuaeque fidei trado; (35,6)
eam ab iniuria defendas, per liberos tuos rogatus. haveto." |
XXXVI (1) Er selbst verweilte
einige Tage bei Gaius
Flaminius im im Gebiet von Arretium und versah während
dieser Zeit die schon vorher aufgewiegelte Bevölkerung der
Umgebung mit Waffen. Dann eilte er mit den Rutenbündeln und
den anderen Kennzeichen der höchsten Gewalt ins Lager zu Manlius. (2) Sobald man davon in Rom sichere Kenntnis hatte, erklärt
der Senat Catilina und Manlius zu Staatsfeinden und setzt der übrigen Meute eine Frist, bis
zu der sie mit Ausnahme derer, die wegen eines Kapitalverbrechens
verurteilt wären, ohne Nachteil die Waffen niederlegen
könne. (3) Außerdem ordnet er an, dass die Konsuln Soldaten
ausheben, dass Antonius Catilina schleunigst nachfolge und Cicero über die Sicherheit der Stadt wache. |
(36,1)
Sed ipse paucos dies conmoratus apud C. Flaminium in agro Arretino,
dum vicinitatem antea sollicitatam armis exornat, cum fascibus atque
aliis imperi insignibus in castra ad Manlium contendit. (36,2)
haec ubi Romae conperta sunt, senatus Catilinam et Manlium hostis
iudicat, ceterae multitudini diem statuit, ante quam sine fraude
liceret ab armis discedere praeter rerum capitalium condemnatis.
(36,3) praeterea
decernit, uti consules dilectum habeant, Antonius cum exercitu Catilinam
persequi maturet, Cicero urbi praesidio sit. |
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Sententiae excerptae:w32 |