Aspekt der Lesersteuerung: "Spätestens von M.Rambaud haben wir gelernt, Caesar als einen gewieften politischen Propagandisten zu sehen. In Bezug auf das erste Buch des "Bellum Gallicum" wird das immer wieder so verstanden, als hätte Caesar es geschrieben, um sich zu rechtfertigen, um die "vom Zaun gebrochene" Eroberung Galliens bzw. deren ersten Schritt als notwendig hinzustellen. John Collins hat diese Interpretation in ihre Schranken verwiesen, indem er u.a. gefragt hat: Wie aktuell ist die "Kriegsschuldfrage" noch im Abfassungsjahr 52/51 v.Chr. gewesen? Wieso spricht Caesar ungehemmt von Massakern an der Zivilbevölkerung und ähnlichem?" [Rü6]
Die von Rüpke [Rü6) summarisch zusammengestellten Argumentationsmotive Caesars im "Bellum Helveticum" (Caes.BG. 1,1-14):
- bellicositas-Motiv: Allgemein wird den Helvetiern bellicositas zugeschrieben (1,4; 2,4; 2,5; 3,6; 10,2)
- coniuratio-Motiv: Ihre Kriegsmotivation wird diskreditiert: Es geht um eine coniuratio, um die Errichtung eines regnum (2,1; 3,1; 3,5-7) (regnum-Motiv); das Argument des Landmangels wird durch den Kontext entwertet, was schließlich bleibt, ist ein Abenteuer (pericula subire: 5,3).
- iter-Motiv: Die Helvetier wollen per provinciam nostram marschieren (6,2; 7,1.3.4; 8,3; 10,1; 14,3). Dies ist keineswegs der einzige Weg (6,1; 9,1), obwohl die Helvetier das behaupten (7,3).
- iniuria- (maleficia-) Motiv: Die Helvetier sind den Römern feindlich gesonnen (7,4; 10,2). Es besteht die Gefahr (periculum-Motiv), dass sie iniurias (maleficia) verüben. (7,3.4; 9,4; 14,2.3.6).
- contumelia-Motiv: Schon einmal haben die Römer, im Jahre 107 v.Chr., schweren Schaden davongetragen (7,4; 12,5; 14,1), sind sub iugum, unter das Joch, geschickt worden (7,4; 12,5).
- socii-Motiv: Gefährdet sind aber auch die socii: Das ganze Kapitel 11 ist diesem Thema gewidmet (daneben auch 14,3.6); hier fällt eine wichtige Entscheidung (non exspectandum).
- poena- (ultio-) Motiv: Der erste Sieg über die Helvetier wird mit einem semantischen Feld beschrieben, das die Begriffe poena (12,6; 14,4) und ulcisci (12,7; 14,5) aufweist. Zu nennen wären auch noch obsides (9,4; 14,6) und satisfactio (14,6).
- di immortales-Motiv: Schließlich werden die di
immortales erwähnt: zwei der ganz wenigen Stellen, an denen in den commentarii über die Taten in Gallien Götter überhaupt erwähnt werden (12,6; 14,5; häufiger in den Exkursen der folgenden Bücher).
Zusätzlich:
- Barbaren-Motiv: Die Helvetier sind Barbaren (1,3-4). Kriege gegen Barbaren (Romanisierung!) waren für die bellum-iustum-Theorie nicht begründungsbedürftig [Si40].
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